Arctic Bath

Fenster zur Arktis

Autor
Claude Hervé-Bazin
Urheberrechte ©
Viggo Lundberg
Veröffentlichung
Dezember 2021

Es sieht aus wie eine sibirische Festung. Oder eine Geburtstagstorte mit zusammengefallenen Kerzen. Vielleicht auch wie eine bewaldete Insel auf einem gefrorenen See. Der Anschein aber trügt. Das Gebilde ist ein Hotel, bei dem alles überrascht.

Der Polarkreis ist nur 50 Kilometer Luftlinie und der nächste Flughafen eine gute Autostunde entfernt. Er liegt in Luleå, an der Nordspitze des Bottnischen Meerbusens. Von dort bis zum Arctic Bath durchquert man eine fast unwirklich weisse Landschaft. Im Frost erstarrtes, gelb schimmerndes Gras und vereinzelte rote Bauernhöfe bringen Farbtupfer in die kargen Weiten. Auf dem Asphalt wirbeln die Reifen den festgefrorenen Pulverschnee in weissen Staubwolken auf.

Faszinierende Nordlichter
Mit knapp zwei Einwohnern pro Quadratkilometer ist Schwedisch-Lappland eines der am dünnsten besiedelten Gebiete Europas. Hier kennt die Natur keine Grenzen, sie bildet ein einziges offenes Land, auf das man sich mit Haut und Haaren einlässt, ohne zu wissen, wann der nächste Schneesturm hereinbricht. An Weihnachten geht die Sonne gegen 10.15 Uhr auf und schon um 13 Uhr wieder unter. Da bleibt viel Zeit, eng aneinandergeschmiegt die sternenklaren Nächte und die tanzenden Nordlichter zu bestaunen.

Kälteempfindliche bewundern das Lichtspektakel durch das riesige Fenster ihrer behaglichen, auf Pfählen erbauten Suite (62 m2). Abenteuerlustige wagen sich gut eingepackt auf die grosse Holzterrasse ihrer schwimmenden Hütte (24 m2) und wärmen sich danach am Pelletofen auf.

In Sauna Veritas
Verteilt auf Land und Wasser umfasst das Arctic Bath Hotel sechs grosszügige, luxuriös ausgestattete Land Cabins, die mit Abstand zueinander am Ufer stehen, und ebenso viele kleinere Water Rooms. Sie haben Ähnlichkeiten mit den Hütten, die amerikanische Eisfischer auf den gefrorenen Seen in Minnesota hinter sich herziehen – allerdings mit Heizung und Badezimmer! Im Sommer scheinen sie auf dem Wasser zu schwimmen. Im Winter, wenn eine 50 Zentimeter dicke Eisschicht den Fluss bedeckt, sind sie direkt mit dem Festland verbunden.

Die scheinbar wahllos um das kreisrunde Haupthaus gestapelten Baumstämme erinnern an die natürlichen Dämme, die sich zur Zeit der Flösserei auf den Flüssen bildeten. Gleichzeitig wirken sie wie eisverkrustete Riesenwimpern rund um ein zentrales Auge, bei dem es sich in Wahrheit um einen Whirlpool mit kaltem Wasser handelt. Rundherum, unter ihrer Rinde, befinden sich drei Saunen, heisse Bäder und ein Behandlungsraum, aus denen dampfende Wärme strömt. Man geht müde hinein und kommt gestärkt wieder heraus, nur um sich der nächsten Kältewelle zu stellen und die Schneeflocken auf sich hinabrieseln zu lassen.

Winterwunderland
Die Samen sollen mehr als 200 Wörter für Schnee kennen. Er ist ihre Identität, ihr Unglück und ihr bester Freund. Sabekguottát heisst der Schnee mit der brüchigen Kruste, in dem man bei jedem Schritt einsinkt, den Tjarvva lieben die Rentiere, weil ihn der Wind verfestigt hat. Der Slievar liegt pulvrig auf den Ebenen, der Åppås auf unberührten Hängen und in der Luft wirbelt der göttliche Schneestaub Habllek.

Anfang März ist Gidádálve, der «Winter-Frühling», da. Die Tage werden länger, die Temperaturen steigen und die Ski gleiten fast lautlos über den weissen Mantel. Hunde ziehen ungeduldig an ihren Geschirren und Motorschlitten fahren knatternd durch den stäubenden Schnee.

Tag für Tag entfernt man sich im Rhythmus der Aktivitäten, Wellnessbehandlungen, der gesunden Küche und der wohltuenden Ruhe etwas mehr vom Alltag. Die Spannungen lösen sich und die Seele fühlt sich leicht an. Allmählich gerät sogar die einsame Strasse in Vergessenheit, die an diesen Sehnsuchtsort führt – und mit ihr auch der Moment, in dem man wieder zurück muss.

arcticbath.se
swedishlapland.com