Patagonia

Eine wirklich grüne Firma

Autor
Laurent Grabet
Urheberrechte ©
Archives Patagonia
Veröffentlichung
Januar 2020

Patagonia ist eine amerikanische Erfolgsgeschichte, wie sie im Buche steht. Im Unterschied zu vielen anderen profitablen Unternehmen sind die Eigentümer und Mitarbeiter aber nicht von Geldgier getrieben, sondern von Umweltbewusstsein und Ethik. Gegründet wurde die «Activist Company» vom begnadeten Kletterer und Visionär Yvon Chouinard.

Patagonia bezeichnet sich selbst als ein Unternehmen von Umweltaktivisten, als Galionsfigur eines verantwortungsbewussten Kapitalismus. Obwohl etwas pointiert formuliert, handelt es sich bei diesem Slogan nicht um leere Worthülsen, wie sie sich die Marketingabteilungen vieler Outdoor-Marken aus den Fingern saugen. Wenn der kalifornische Hersteller von Outdoor-Sportbekleidung etwas nicht tut, dann Greenwashing. Nachhaltigkeit und Umweltschutz sind seit seinen Anfängen ein fester Bestandteil der Firmen-DNA.

Begonnen hat die Erfolgsgeschichte von Patagonia 1957 in Burbank, einem trostlosen Vorort von Los Angeles. Dort schmiedete der damals 19-jährige Yvon Chouinard im Hinterhof des Familienhauses wiederverwertbare Kletterhaken, denn die im Handel erhältlichen Modelle waren für seinen Geschmack nicht robust genug. Sein Handwerksgeschick hatte er wohl von seinem Vater geerbt. Dieser war von Quebec nach Kalifornien gezogen, um dort als Mechaniker und Spengler sein Glück zu versuchen. Yvon verkaufte die selbstgemachten Kletterhaken direkt aus dem Kofferraum seines Autos, kam damit anfangs aber mehr schlecht als recht über die Runden.

Prägende Expedition auf den Fitz Roy
Parallel zur Herstellung von Klettermaterial ging es mit Yvons Bergsteigerkarriere steil bergauf. Sein Lebenslauf steckt voller alpinistischer Topleistungen. 1961 gelang ihm mit Tom Frost eine Erstbesteigung des Grand Teton, 1964 eine weitere am berühmten El Capitan im Yosemite-Nationalpark, auch diesmal mit Tom Frost, und 1968 eine am Fitz Roy. Diese Erstbegehung war für ihn ein so prägendes Ereignis, dass er den 3405 Meter hohen Andengipfel zwischen Argentinien und Chile Jahre später zum Logo von Patagonia machte.

Je länger Yvon Chouinard sein abenteuerliches Nomadendasein lebte, desto enger fühlte er sich mit der Natur verbunden. Diese Naturnähe wurde zum Grundstein für seine Lebens- und Unternehmensphilosophie, die langsam konkrete Züge annahm. Beruflich legte er bereits damals grossen Wert auf Qualität und Nachhaltigkeit. Sein Einmannbetrieb florierte so stark, dass er sich 1965 mit seinem Seilbruder Tom Frost (1936-2018) zusammenschloss, der als Kletterer und Luftfahrtingenieur wichtiges Fachwissen in die Firma einbrachte. Angesichts der rasant wachsenden Nachfrage wurde schliesslich auch die Produktion industrialisiert. In den 1970er-Jahren hatte sich Chouinard Equipment Ltd in den USA als führender Anbieter von Klettermaterial etabliert.

Nein zur geplanten Obsoleszenz
1972 erfand das Unternehmen mit der Vermarktung der ersten Klemmkeile das «saubere Klettern». Wenig später baute es sein Angebot mit strapazierfähiger Outdoor-Kleidung aus. Einige teilweise noch immer produzierten Modelle wurden aus wiederverwertetem PET hergestellt. Im darauffolgenden Jahr wurde zur klaren Trennung vom Hardware-Sortiment als Ableger von Chouinard Equipment Ltd die Bekleidungslinie Patagonia gegründet und in Ventura, einer Stadt zwischen Los Angeles und Santa Barbara, das erste Geschäft eröffnet. An einem Surfspot ganz in der Nähe verbrachte das Gründerteam praktisch jede Mittagspause. Surfbekleidung sollte später zu einer wichtigen Geschäftssparte von Patagonia werden.In der Mitte der 1990er-Jahre stellte die Firma hauptsächlich aus Bio-Baumwolle die erste umweltgerechte Funktionskleidung her. Das finanzielle Risiko, dass sie mit dieser Kulturrevolution einging, nahm sie bewusst in Kauf. «Wir haben von Anfang an versucht, die bestmöglichen Produkte zu fertigen, denn nur sie halten ein Leben lang und reduzieren so die Umweltbelastung. Man muss nicht alle drei Jahre eine neue Jacke kaufen», betonte Yvon Chouinard schon damals.

Taten statt Worte
Um ihrem grünen Gewissen Gehör zu verleihen, schaltete Patagonia 2013 in der New York Times eine ganzseitige Anzeige mit dem Titel «Kaufen Sie diese Jacke nicht!» Mit dieser Anti-Werbung setzte die kalifornische Firma ein radikales Statement gegen den Konsumwahn. Für Patagonia

ist es Ehrensache, mit möglichst wenig Ressourcen langlebige Produkte herzustellen. Oder, wie es Yvon Chouinard knapp formuliert: «flicken, wiederverwenden, recyclen». Dass diese Devise auch gelebt wird, zeigt das im April 2017 eingerichtete Retouren-System. Kunden können ihre gebrauchten Artikel einschicken, die dann gereinigt, geflickt und wiederverkauft werden. Als Gegenleistung erhalten sie eine kleine Gutschrift für ihren nächsten Kauf.

Als weiteres Umweltbekenntnis spendet das Unternehmen im Rahmen von «One Percent for the Planet» ein Prozent seines Umsatzes an Umweltorganisationen. Yvon Chouinard gehört zu den Mitbegründern dieser NGO, der sich mittlerweile über 2000 Unternehmen angeschlossen haben. Mit dem Geld werden mehr als 3000 Vereinigungen in 18 Ländern unterstützt, darunter die Schweizer Alpenschutzorganisation Mountain Wilderness. 2016 spendete Patagonia am umsatzstarken Black Friday sogar den gesamten Erlös an gemeinnützige Organisationen. Anstelle der erwarteten zwei Millionen Dollar waren damals weltweit zehn Millionen zusammengekommen!

Gemeinsam gegen Trump
Um ihre Umweltanliegen voranzutreiben, engagiert sich die Outdoormarke politisch. 1988 rief sie ihre erste Umweltschutzkampagne ins Leben, um die Urbanisierung des Yosemite Valleys zu verhindern. Erst kürzlich verklagte Patagonia im Zusammenschluss mit mehreren Indianerorganisationen Trump, nachdem dieser angekündigt hatte, zwei Naturschutzgebiete in Utah massiv beschneiden zu wollen (das Verfahren läuft noch). 2018 gab Patagonia bekannt, dass es die 10 Millionen Dollar «Ersparnisse aus der von der Trump-Regierung beschlossenen unverantwortlichen Steuersenkung» Organisationen zukommen lassen werde, «die sich für den Schutz von Luft, Land und Wasser sowie für Lösungen im Kampf gegen die Klimakrise einsetzen.»

Diese klare Haltung hat dem Unternehmen einen Ruf von Rechtschaffenheit eingebracht, die in der Wirtschaft Seltenheitswert hat. «Ohne einen gesunden Planeten gibt es weder Aktionäre noch Konsumenten und damit auch keine Arbeitnehmer. Umweltschutz sollte das höchste Ziel aller Unternehmen sein», sagt Yvon Chouinard. Der mittlerweile 81-Jährige ist ein glücklicher Mann. Er geniesst sein Leben und hält sich meist in der Natur auf. Entweder surft er oder frönt der Fliegenfischerei, seiner zweiten Leidenschaft, die ihn zu vielen seiner Ideen inspiriert hat.

«Nichts ist so stark wie eine Idee, deren Zeit gekommen ist», schrieb einst Victor Hugo. Yvon Chouinards Eingebungen gehören zweifellos dazu.

patagonia.com