
7132
Die Zahl der Bäder
Das Hotel 7132 mitten in den Bündner Alpen hat sich rund um die weltberühmte Therme Vals neu erfunden. Für das Makeover des baulichen Meisterwerks von Peter Zumthor gingen ihm drei weitere renommierte Architekten zur Hand.
Tief unten im engen Tal zwängt sich die Schlucht zwischen steil aufragenden Bergflanken hindurch. Nach mehreren Tunnels, in denen das Echo des kalten Valserrheins widerhallt, öffnet sich die Strasse am Fuss von baum- und flechtenbewachsenen Felsen in 1250 Meter Höhe zu einer V-förmigen Landschaft aus Alpweiden und schieferbedachten Häusern. Wir befinden uns in Vals. Postleitzahl: 7132. In dieser Bilderbuchumgebung, in der auch das Valserwasser abgefüllt wird, taucht man genüsslich ein in das 30° Grad warme Thermalbad.
Ein Quartett aus Stararchitekten
Engländer nennen es Destination Hotel – ein Ort, den man nicht in erster Linie zum Übernachten aufsucht, sondern, um eine schöne Zeit zu verbringen. Das 7132 ist so eine Zeitkapsel, in der man die Welt rundherum komplett vergisst. Den Grundstein des Hotels bildete ein Kurhaus, das in den 1960er-Jahren von einem deutschen Investor in einen Hotelkomplex mit 1000 Betten umgebaut wurde. Nach dessen Bankrott wurde es von der Gemeinde übernommen, die Peter Zumthor beauftragte, eine neue Therme zu bauen. Diese ging bei ihrer Einweihung im Jahr 1996 in die Architekturgeschichte ein. Vor Kurzem erhielt die Anlage ein neues Lifting. Seither können die Gäste in einer Wohlfühloase nach den Sternen greifen. Die eleganten Linien des Mobiliars greifen das Design der sich an den Berg schmiegenden Fassade auf. Und in den Spa Deluxe Rooms spiegelt sich die riesige UFO-ähnliche Lampe in der runden Form der freistehenden Badewanne.
Das angrenzende House of Architects hat einen Stern weniger, aber eine Prise Persönlichkeit mehr. Seine Zimmer punkten zwar nicht durch Grösse, sind aber einzigartig. Vier namhafte Architekten haben hier ihre ideale Welt erschaffen. Tadao Ando wollte mit schlichtem Holz an japanische Teehäuser und Onsen erinnern, Kengo Kuma einen behaglichen Kokon aus Eichenholz-Paneelen zaubern. Der amerikanische Dekonstruktivist Thom Mayne wiederum hat die Räume komplett mit Holz getäfelt bzw. in schwarzen, weiss geaderten Quarzit gekleidet. Mitten drin steht eine futuristische Duschkabine, die wirkt, als wäre sie vom Himmel gefallen. Und Zumthor hat dem 7312 mit dunkler Opulenz, Betonverschalung, exotischem Parkett und Seidenvorhängen seine Handschrift aufgedrückt.
Tempel des Schönen
Die Therme als Herz des Komplexes ist zu einem Pilgerort für Architekten geworden. Sie haben Peter Zumthor aus der Anonymität geholt, ihm zum Carlsberg-Preis verholfen und dazu beigetragen, dass er 2019 für sein Gesamtwerk mit dem Pitzker, dem Nobelpreis der Architektur, ausgezeichnet wurde. Zumthor befreit die edlen Materialien des Bünderlands, mit denen er sich während seiner Tätigkeit als kantonaler Denkmalpfleger vertraut gemacht hatte, von der erdrückenden Last der Vergangenheit und setzt sie in einem zeitgenössisch minimalistischen Rahmen neu ein. Der preisgekrönte Architekt ist kein Mann der grossen Worte, Extravaganzen sind nicht sein Ding. Er mag es schlicht und wirkungsvoll.
Die aufeinandergestapelten Quarzit-Platten sind mit einem Betonpuzzle überdacht, das unter einem Grasteppich verborgen ist. Durch die Fugen zwischen den Blöcken dringt Licht ein. Türe gibt es keine, zur Therme gelangt man nur durch einen unterirdischen Gang vom Hotel aus. Im Osten öffnen sich grosse Fenster zur Landschaft, dennoch ist das Licht gedämpft. Ein Innen- und ein Aussenbad, die wie natürliche Becken mit rauem Stein eingefasst sind, umgeben ein Labyrinth aus verwinkelten Ecken und widerhallenden Grotten Hier sucht jeder seinen Weg im 14 bis 42 Grad warmem Wasser.
Die mysteriöse Atmosphäre der Therme hat schon Janet Jackson für ihren Clip The Velvet Rope beflügelt und jetzt den jungen Comiczeichner Lucas Harari zu seiner Graphic Novel Der Magnat (Swimming in Darkness) inspiriert. In dem Thriller versuchen zwei von der Therme besessene rivalisierende Männer hinter die Geheimnisse der Bäder zu kommen. Die fantasievolle Geschichte fängt die Stimmung dieses wie aus Raum und Zeit gefallenen Ortes prägnant ein. A propos zeitlos: Am Mittwoch, Freitag und Sonntag sind die Bäder von 23 bis 1 Uhr geöffnet.