Zermatt sieht grün

en vert

Autor
Daniel Bauchervez
Urheberrechte ©
DR
Veröffentlichung
Winter 2019-2020

Zermatt ist seit jeher autofrei, setzt sich aber auch sonst tagtäglich für Umweltschutz und Nachhaltigkeit ein. Dass ein Wintersportort so viel für die Natur tut, ist ein Novum.

Als Zermatt in den 1970er-Jahren vor allen anderen auf Elektroautos umstieg, löste die Entscheidung weltweit Skepsis aus, denn die Autoindustrie boomte. Die Gemeindebehörden wollten damit den explodierenden Tourismus eindämmen und verhindern, dass Blechlawinen durch das enge Tal rollen. 

Das Zermattmobil

Da auf dem Markt kein passendes Fahrzeug verfügbar war, setzten die Behörden auf lokale Produktion. Fast ein halbes Jahrhundert später wird ein Grossteil der Elektromobile vom Garagisten Reinhold Julen und seinen Berufskollegen Stefan und Bruno Imboden hergestellt. Sie vollbringen das Kunststück, unter Berücksichtigung der technischen Auflagen Abrollkipper, Heizöltransporter und andere Fahrzeuge in die vorgegebene Kastenform einzubauen. Ganz billig sind die Zermattmobile nicht. Sie kosten zwischen 65 000 und 120 000 Franken, Batterie nicht eingerechnet. Dafür bestehen sie aus Aluminium, sind korrosionsbeständig und haben eine Lebenserwartung von 30 bis 40 Jahren.

Das Zermattmobil wäre beinahe zum Exportschlager geworden. Die Stadt New York überlegte, ihre 12 000 Taxis durch das Modell zu ersetzen, sah dann schliesslich davon ab, da es ihr zu langsam war. Für die kleinen Dorfstrassen reichen 20 km/h aus, nicht aber für die langen Strecken durch die amerikanische Megalopole. Heute sind in Zermatt gut 500 der geräuschlosen Elektroautos zugelassen, darunter rund 40 Taxis. Alle anderen Autofahrer parkieren in Täsch und steigen in den Shuttle-Zug, der sie dreimal pro Stunde in zwölf Minuten nach Zermatt bringt. Vom Bahnhof geht es entweder zu Fuss, mit dem Elektrobus, dem Elektrotaxi oder mit einer der beiden Pferdekutschen des Grand Hotel Zermatterhof zur Unterkunft.

Pferdekutschen und wiederverwertetes Plastik

In Zermatt hat der Fussgänger stets Vortritt: So will es Artikel 3 des örtlichen Verkehrsreglements. Der Kurort macht damit ernst. Da die Bahnhofstrasse ab Mittag für den Verkehr gesperrt ist, werden die Pakete seit September 2019 nachmittags vom Transportunternehmen Alpin Cargo mit der Postkutsche ausgeliefert! Die Lokalbehörden engagieren sich an allen Fronten. Abwasser wird selbstverständlich zu 100% aufbereitet, Abfall eingesammelt und entsorgt und Wasserkraft gefördert (sie liefert 60% des Bedarfs). Um mit gutem Beispiel voranzugehen, hat Zermatt kürzlich einen Strassenbelag verlegt, der recyceltes Plastik enthält. Eine Schweizer Premiere, aber wahrscheinlich keine Dernière, denn der neuartige Asphalt ist durch die Plastikbeigabe flexibler und langlebiger und daher ideal für die grossen jahreszeitabhängigen Temperaturschwankungen. Im Dorf helfen alle mit, etwas zu bewegen. Viele Hoteliers lassen ihre Gebäude nachhaltig renovieren und leisten damit einen wichtigen Beitrag an den Umweltschutz. Die Jugendherberge hat ihr grünes Gewissen entdeckt, der Zermatt Marathon macht sich für Nachhaltigkeit stark und jedes Jahr findet der Nachhaltigkeitsgipfel «Zermatt Summit» statt, an dem über 150 Wirtschafts- und Meinungsführer nach neuen Geschäftsmodellen suchen, um in der globalisierten Welt ethisch und umweltgerecht zu wirtschaften.

Nachhaltiges Skigebiet mit Vorbildcharakter

Ein nachhaltiges Skigebiet zu gewährleisten ist eine grosse Herausforderung. Zermatt spielt auch hier eine Vorreiterrolle. 2002 bildete die Zermatt Bergbahnen AG eine Arbeitsgemeinschaft, die sich intensiv mit dem Thema befasste. Zu den ersten Grossprojekten gehörte das Restaurant Matterhorn glacier paradise, das 2009 für sein energiesparendes Gebäudekonzept das Minergie-P-Zertifikat erhielt. Für die integrierte Photovoltaikanlage, die den gesamten Energiebedarf des Restaurants deckt, wurde es mit dem Schweizerischen und Europäischen Solarpreis ausgezeichnet. Das Abwasser aus der Küche und den Nasszellen wird in einer eigenen mikrobiologischen Kläranlage gereinigt und als Grauwasser für die sanitären Anlagen mehrmals wiederverwendet. Eine technische Spitzenleistung auf 3883 Metern Höhe, die Vorbildcharakter hat! Eine zweite Photovoltaikanlage wurden 2010 an der Seilbahnstation Trockener Steg in Betrieb genommen, eine dritte an der Talstation der neuen 3S-Bahn auf das Matterhorn glacier paradise. Dort produzieren die Solarpanels mit insgesamt 877 Quadratmetern Fläche 157 200 kWh pro Jahr. Technisch sind diese zukunftsweisenden Anlagen angesichts der oft rauen Wetterbedingungen im Winter eine grosse Herausforderung. Auch der Schweizer Alpen-Club (SAC) hat sich in den letzten zehn Jahren stark für Nachhaltigkeit eingesetzt. 2010 wurde die 2009 komplett renovierte Monte-Rosa-Hütte (2883 m) als erste Berghütte mit dem Minergie-P-Zertifikat ausgezeichnet, 2015 folgte die Hörnlihütte (3260 m) am Matterhorn. Diesel wurde verbannt, auf Photovoltaikanlagen umgestellt und das Abwasser wird aufbereitet und wiederverwendet. Problematischer ist der stromfressende Skibetrieb. Die 68 Fahrzeuge und Arbeitsmaschinen der Zermatt Bergbahnen AG benötigen rund eine Million Liter Diesel pro Jahr. Um umweltverträglicher unterwegs zu sein, setzte das Unternehmen auf «eco speed»-Diesel, der 13 Prozent weniger Partikel und 11 Prozent weniger Kohlenmonoxyd freisetzt. Ausrangierte Zug- und Umlaufseile der Bergbahnen werden nach Asien geschickt, wo sie als Brückenbauteile eine sinnvolle Weiterverwendung finden. Nicht mehr gebrauchte Anlagen werden rückgebaut und Landschaftsschäden durch Wiederbegrünung beeinträchtigter Flächen behoben. Ausserdem haben die Gemeindebehörden sechs Schutzwälder und zehn Wildschongebiete eingerichtet, in denen Flora und Fauna von übermässiger Störung durch den Menschen verschont bleiben (Freeriden ist dort z.B. verboten). Die grüne Politik von Zermatt ist eine Politik der kleinen Schritte, die Tag für Tag dafür sorgt, dass Dinge geändert werden und umweltbewusst und nachhaltig gewirtschaftet wird.

www.zermatt.ch/nachhaltigkeit