Thomas Crauwels

Die Berge im Fokus

Autor
Laurent Grabet
Fotograf
Thomas Crauwels

Thomas Crauwels aus Belgien entdeckte das Fotografieren zur gleichen Zeit wie die Schönheit der Schweizer Alpen. Heute verbindet er das eine mit dem anderen.

Einen Niederländer, der sich auf Bergfotografie spezialisiert hat, trifft man nicht jeden Tag. Thomas Crauwels kam in einem belgischen Dorf bei Waterloo zur Welt. 2009 zog er nach Genf und unterlag schon bald der Schönheit der Alpenlandschaften.

„Ich erinnere mich noch genau, als ich das erste Mal ins Wallis gefahren bin. Ich war hin und weg von dem, was ich sah. Bis zu meinem 25. Lebensjahr kannte ich nur das Meer. Der Anblick der Berge, die in den See fallen, haute mich völlig um.“ Kurz danach fing der heute 34-Jährige an zu wandern. An den Wochenenden unternahm er Touren im Jura, dann im Chablais, bevor er sich eines Tages an die „echten“ Berge wagte, wie er sagt. „Ich bewunderte sie aus der Ferne, namentlich den Mont Blanc, den man von Genf aus sehen kann. Dass er das ganze Jahr weiss war, machte mich neugierig und zog mich an.“

Sehnsuchtsort Berge
Thomas Crauwels ist fasziniert vom Schnee, dieser seltsamen Form von Wasser, die nackte Realität in eine flauschige Decke hüllt und jeden Baum, jedes Feld idyllisch wirken lässt. Er erinnert sich gerne an die wenigen, aber umso kostbareren weissen Kindheitstage. „In Belgien nahm ich mir frei, sobald Schnee fiel, um im Wald die ersten Spuren zu hinterlassen.“ Ein Jahr nach seinem Umzug in die Schweiz kaufte er eine Spiegelreflexkamera. Er wollte damit Fotos machen, die bei seinen daheimgebliebenen Freunden die Lust wecken sollten, ihn zu besuchen, erzählt er.

Als der gelernte Informatiker eines Tages zu einer Berghütte hinaufstieg, kamen zu seiner ursprünglichen Absicht künstlerische Überlegungen hinzu. Es hat mich wie ein Blitz getroffen, sagt er. „Als ich das erste Mal vor einem Gletscher stand, wusste ich, dass ich solche Hochgebirgslandschaften, die ein Gefühl der Ewigkeit vermitteln, fotografieren wollte.“ Mit der Zeit merkte er, dass diese Orte bei schlechtem Wetter noch schöner waren. Der Belgier begann, auf der Suche nach möglichen Störungen und Wolkenbildungen die Wetterprognosen zu studieren. Gleichzeitig zog er nach Torgon im Wallis, um näher bei seinen „Fotomodellen“, wie er die Berge bezeichnet, zu sein.

Alpine Momentaufnahmen
Heute feilt Thomas Crauwels an seinen Bergporträts, als wären es Gemälde. Bei den meisten handelt es sich um Schwarz-Weiss- oder Monochrom-Aufnahmen. Nicht der Mensch, der nur selten oder winzig klein abgebildet ist, sondern Materie, Licht und Kontraste spielen die Hauptrolle. „Ich mag seltene, flüchtige Momente“, sagt der Fotograf. „Wenn ein Schneesturm einen Berghang zupflastert und ihm für einen kurzen Augenblick einen wunderbaren Glanz verleiht, bevor der Schnee wieder schmilzt, oder Dunst an einem Grat hängenbleibt und eine zuvor nicht wahrgenommene Kerbe offenbart.“

Thomas Crauwels hat sich vom erfahrenen Wanderer zum Alpinisten entwickelt. Er übernachtet in Biwaks, damit er, seine Nikon stets griffbereit, mehrere Tage in die ihn inspirierende Bergwelt eintauchen kann. „In den Alpen habe ich immer das Gefühl, ich sei in den Ferien“, sagt er. Sein derzeitiges Lieblingsbild ist eine Zufallsaufnahme des Dent d’Hérens. Sie zeigt eine aufreissende Wolke, durch die ein Sonnenstrahl dringt und den Berg beleuchtet. „Dadurch entsteht eine dramatische Stimmung, die ich besonders mag“, so Thomas. „Nach Hause zu kommen und das Foto im Kasten zu haben, das ich mir erhofft hatte, ist illusorisch. Darauf zu hoffen, eine interessante Stimmung einzufangen, da schon ist realistischer.“

Bald ein Buch über das Matterhorn
Thomas Crauwels’ fotografische Arbeit stösst auf viel positive Resonanz. Seit 2015 wurde er wiederholt ausgezeichnet und hat mehrfach ausgestellt. Diesen Winter sind seine Aufnahmen im Hotel Nevai in Verbier, im Hotel Basecamp in Zermatt und in der Galerie Regards Art Photos in Crans-Montana zu sehen. Parallel dazu arbeitet der Fotograf an einem Bildband über das Matterhorn. Es soll im Winter 2018/19 beim österreichischen Lammerhuber-Verlag erscheinen. „Ich befasse mich seit 2013 mit diesem Berg, denn er fasziniert mich. Ich will ihn aber momentan noch nicht besteigen, da ich befürchte, dass ich ihm so das Geheimnisvolle nehme.“

Der Belgier, der sich nach eigenen Worten immer mehr als Schweizer fühlt, ist überzeugt, dass er eine Aufgabe zu erfüllen hat: „Tief in mir drinnen fühle ich, dass ich nicht aus Zufall hierhergekommen bin. Die Alpen befinden sich in einem Veränderungsprozess. Durch den Klimawandel stürzen sie überall ein. Ich konnte in den letzten sieben Jahren zuschauen, wie die Gletscher zurückgegangen sind. Vielleicht ist es meine Aufgabe, diese dem Untergang geweihte Schönheit für die Nachwelt festzuhalten.“

thomascrauwels.ch