
Icebreaker
Die Natur als Vorbild
Wie so oft im Leben begann alles mit einem Zufall. Eines schönen Tages im Jahr 1994 traf Jeremy Moon auf der Halbinsel Phuenui in der neuseeländischen Bay of Islands einen Merinoschafzüchter. Bis dahin nichts Weltbewegendes, denn Schafe gibt es in Neuseeland wie Sand am Meer. Mit sechs Tieren pro Kopf ist das Land weltweit führend.
An jenem schicksalshaften Tag schenkte der Schafzüchter Jeremy ein T-Shirt, das aus der Wolle seiner Merinoschafe gestrickt war. Der junge Mann zog es an... und nicht mehr aus. Kopfschüttelnd dachte er an die vielen Jahre, in denen er beim Paddeln, Biken und Laufen Bäche schwitzte und unangenehm nach Schweiss roch. Damals war Funktionskleidung aus synthetischen Fasern der absolute Renner. Jeremy merkte: «Beim Outdoor-Sport einen Plastiksack zu tragen ist echt eine Schnapsidee. Das wollte ich nicht mehr.» Sein neues T-Shirt war bequem, robust, leicht, weich, luftig und stank nie – ganz anders als die kratzende, schwere Wolle aus seiner Kindheit oder die miefenden Polyestershirts. Merino wärmt bei Kälte und kühlt bei Hitze, genauso wie sie die Schafe vor eisigen Wintern und sengenden Sommern schützt.
Eierlegende Wollmilchsau
Jeremy versetzte sein Haus, kaufte das Konzept und fand über die Eltern seiner Freunde Investoren, die das nötige Geld vorschossen und sich an der Ausarbeitung eines Businessplans beteiligten. Gemeinsam verfolgten sie ihre Idee, das Potenzial dieses Naturprodukts bekannt zu machen. Ein paar Prototypen später nahmen vierzehn visionäre Outdoor-Geschäfte in ganz Neuseeland das T-Shirt in ihr Sortiment auf. Es sollte der Beginn eines wundbaren Abenteuers sein. Heute ist Icebreaker in über vierzig Ländern vertreten.
Der Erfolg der Marke ist ihrer Philosophie geschuldet. Und die gründet auf einem höchst simplen Slogan: «Die Icebreaker-Faserfabrik arbeitet 24 Stunden am Tag – auf dem Rücken von Schafen.» Will heissen: Die Natur steht überall im Vordergrund, denn sie liefert die nötigen Lösungen und ist unser kostbarstes Gut. Warum Kompliziertes erfinden, wenn es in der Natur schon alles gibt?
Nachhaltigkeit als Grundprinzip
1997 wurden mit neuseeländischen Schafzüchtern die ersten langfristigen Partnerschaften aufgebaut. Zwanzig Jahre später entstand daraus der fortschrittliche Icebreaker Growers Club. Seine fünfzig Mitglieder verfügen alle über einen 10-Jahres-Vertrag und müssen sich dadurch nicht mehr dem Diktat der stark schwankenden Wollkurse auf dem Weltmarkt beugen. Ausserdem gewinnen sowohl die Züchter als auch die Marke an Qualität und Sichtbarkeit. In der Textilbranche sind solche Geschäftsbeziehungen eine Ausnahmeerscheinung. Den Züchtern verschafft die so gewonnene finanzielle Sicherheit mehr Spielraum für Innovation. Im Rahmen des ZQRX-Programms der New Zealand Merino Company zum Beispiel führen sie auf ihren Farmen regenerative Praktiken im Dienst der Biodiversität ein und können so Icebreaker mit nachhaltiger Wolle beliefern. Gleichzeitig müssen sie zum Wohl der Schafe strenge Tierhaltungsregeln einhalten, die von einer unabhängigen Stelle überprüft werden. Happy sheep, happy shirt, so die Devise.
2003 knüpfte das Unternehmen erste internationale Partnerschaften. Zwei Jahre später wurde das erste Markengeschäft in Wellington eröffnet. Weitere folgten. Icebreaker expandierte in die USA und druckte als erstes Unternehmen Motive auf Merinowolle. 2010 wurde ebenfalls in einer Weltpremiere ein Tracking eingeführt, bei dem Käufer anhand eines Codes zurückverfolgen können, von welcher Schaffarm die Wolle ihres Pullovers, ihrer Handschuhe oder ihrer Socken stammt. Im Jahr darauf wurde die innovative Corespun-Technologie lanciert, bei der ein Nylonkern mit Merinowolle ummantelt wird, um den Stoff langlebiger zu machen. Mit Cool-Lite™ folgte eine weitere bahnbrechende Entwicklung. Sie besteht aus einer Mischung aus Merino und eukalyptusbasiertem Tencel™, das atmungsaktiv ist, für ein effizientes Feuchtigkeitsmanagement sorgt und schnell trocknet. Weiter ging es mit MerinoLOFT™, einer isolierenden Füllung aus Merinowolle als Alternative zu Daunen, Shell+™, einem warmen, wasser- und windfesten Stoff, und ZoneKnit™, der bei bewegungsintensiven Aktivitäten dank integrierter Bodymapping-Technologie die Körpertemperatur reguliert und die Haut atmen lässt. Das Schaf ist ganz offensichtlich ein Wunderwerk der Natur!
Icebreaker wird international
Vor ein paar Jahren ist bei Icebreaker eine neue Ära angebrochen. Jeremy Moon zog sich schrittweise aus dem Geschäft zurück und 2018 übernahm die amerikanischen VF Corporation, der auch Timberland und North Face angehören, die Marke. Besteht jetzt die Gefahr, dass die Umweltbestrebungen in den Hintergrund rücken? Im Gegenteil, bekräftigt der neue CEO. Vielmehr habe Icebreaker diesbezüglich einen positiven Einfluss auf die restliche Gruppe.
Bei Icebreaker gelten klare Regeln: kein PFC, kein Acryl und möglichst nur Naturfasern. Da versteht die Firma keinen Spass. Es wurden auch schon mehrere Dutzend Artikel aus dem Katalog genommen. Bei den Farbstoffen – einem der grössten Umweltsünder der Textilindustrie – wurden ebenfalls Fortschritte erzielt. Die Stoffe werden mithilfe von Pflanzenpigmenten in einem Verfahren gefärbt, bei dem 65 Prozent weniger Wasser verbraucht werden und keine chemischen Rückstände entstehen. Damit die Botschaft gehört wird, tut sich Icebreaker mit be-rühmten Umweltschützern zusammen. Den Anfang machten Mike Horn und der Extremschwimmer Benoît Lecompte, der mit spektakulären Aktionen auf die tragische Plastikverschmutzung der Meere aufmerksam macht.
Das nächste grosse Ziel in puncto Nachhaltigkeit heisst Plasticfree by ’23. Icebreaker will Alternativlösungen aus Naturfasern suchen, um bis 2023 ganz auf künstliche Stoffe wie Nylon, Polyester und Elasthan (Lycra) zu verzichten und bis 2023 nur noch plastikfreie Produkte anzubieten. Schon jetzt liegt der Anteil an Naturfasern bei 95 Prozent – elf Prozentpunkte mehr als noch vor vier Jahren! «Unsere Botschaft hat sich seit 1995 nicht verändert: Die Natur liefert uns die besten Antworten. Sie ist unser Vorbild», betont Jan Van Mossevelde, der Präsident von Icebreaker.