Burgergemeinde

Zum Wohle Zermatts

Autor
Claude Hervé-Bazin
Urheberrechte ©
Sarah Deriaz
Veröffentlichung
Winter 2022-2023

Biner, Julen, Perren, Taugwalder: Diese und andere Namen haben die Geschichte Zermatts geprägt. Sie stammen von tief im Mattertal verwurzelten Familien, die über die Burgergemeinde miteinander verbunden sind. Ein Gespräch mit Burgerpräsident Andreas Biner.

Burgergemeinden sind eine typisch schweizerische Eigenheit. Im Ausland kennt man diese jahrhundertealte Form der Körperschaft so gut wie nicht. Hierzulande bildet sie eine Art Gemeinde in der Gemeinde, der die alteingesessenen Einwohnerinnen und Einwohner eines Ortes angehören. In Zermatt sind fast ein Drittel der Bevölkerung Burgerinnen oder Burger. Mit ihren Investitionen in den Tourismus sorgt die Burgergemeinde seit 150 Jahren dafür, dass die Zermatter «Urbevölkerung» vom daraus resultierenden Aufschwung profitiert.

Wirklich begonnen hat alles 1870, als die zuvor vor allem in der Landwirtschaft tätige Burgergemeinde Zermatt fünf Jahre nach der Erstbesteigung des Matterhorns das Grand Hotel Zermatterhof baute. Um der Gemeinschaft keine übermässige Schuldenlast aufzubürden, mussten sich die Zermatter Burgerfamilien verpflichten, beim Hotelbau Fronarbeit zu leisten. Als Gegenleistung für ihre gemeinnützige Arbeit wurde das Recht der Nutzniessung verankert. Darauf folgten weitere Investitionen, die das Burgervermögen nach und nach um Hotels, Restaurants, Bars, Geschäfte und an ortsfremde Investoren vermietete Lokale vergrösserten. Hinzu kommt die Beteiligung an der Zermatt Bergbahnen AG. Die Burgergemeinde hält 26 Prozent der Aktien. Jedes Burgerschaftsmitglied verfügt über bestimmte Privilegien, erhält Dividenden – den sogenannten Burgernutzen – und jedes Jahr eine Flasche Burgerwein.

Authentizität dank Burgergemeinde

Das seit der Gründung unveränderte Modell hat viel dazu beigetragen, dass Zermatt nicht zubetoniert wurde und autofrei geblieben ist. Alle Burgerinnen und Burger haben ein Mitspracherecht, und auch wenn nicht immer Einigkeit herrscht, so wird doch stets ein Konsens zum Wohle der Mehrheit gefunden. Leitgedanke ist dabei immer, dass Zermatt reizvoll und attraktiv bleiben soll.

Gemeinwohl und Nachhaltigkeit stehen immer an erster Stelle. Entsprechend sorgfältig wird gehaushaltet. Während der Covid-19-Pandemie wurden die Investitionen daher ausgesetzt, mittlerweile aber wieder aufgenommen. «Das momentan wichtigste Projekt ist die Renovation des 3100 Kulmhotels Gornergrat. Wir wollen es attraktiver und nachhaltiger machen», so Andreas Biner. Unter anderem soll anstelle des Selbstbedienungsrestaurants eine Walliser Stube entstehen. Und was erwartet der Präsident vom kommenden Winter? «Die Inflation, die drohende Energiekrise und der starke Schweizer Franken stellen uns vor grosse Herausforderungen. Trotzdem ist der aktuelle Buchungsstand erfreulich. Wir erwarten eine starke Wintersaison 2022/23.»